Topökonom Südekum: Stümper regieren die USA
Die amerikanische Zollpolitik sei "völlig abstrus" und "blanker Unsinn", sagt Jens Südekum. Der Wirtschaftswissenschaftler hofft nun auf die 90-tägige Pause, ein Industrie-Abkommen hält er für realistisch. Von der Eskalation mit China könne Europa profitieren.
Ökonom Jens Südekum geht mit US-Präsident Donald Trump und seinen Beratern hart ins Gericht. "Es ist leider so, dass die größte Volkswirtschaft der Welt gerade von ziemlichen Stümpern regiert wird", sagte der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Interview mit dem "Handelsblatt". "Und die werden von Ökonomen beraten, von denen die Welt vorher noch nie irgendwas gehört hat, die mit völlig abstrusen Theorien eine völlig abstruse Zollpolitik durchziehen wollen."
Der Architekt der US-Zollpolitik, Peter Navarro, habe "fachlich noch nie irgendeine Rolle gespielt", schimpft Südekum. "Kein Mensch kannte diesen Mann. Und jetzt kommt er mit wirren Zolltheorien daher." Trumps Zollformel - Handelsdefizit geteilt durch Importvolumen - sei "völlig absurd". Tesla-Chef Elon Musk, der Trump ebenfalls berät, hatte Navarro kürzlich als "dümmer als ein Sack Backsteine" beleidigt.
Südekum betont, "alle Ökonomen weltweit" hätten schon in Trumps erster Amtszeit zu erklären versucht, dass es nicht stimme, dass die USA angesichts von Handelsdefiziten vom Rest der Welt über den Tisch gezogen würden. "Es ist doch so: Das Handelsbilanzdefizit der USA liegt am Dollar-Privileg." Da der Dollar die globale Leitwährung ist, hätten sich die USA 50 Jahre lang im Ausland verschulden und konsumieren können, "als gäbe es kein Morgen mehr".
"Er versteht es nicht"
Tatsächlich hätten billige Importe, vor allem aus China, zu einer Deindustrialisierung im Mittleren Westen, dem sogenannten Rust Belt, geführt, erklärt der Ökonom. "Aber wenn Trump wirklich den Rust Belt hätte unterstützen wollen, dann hätte er das immer tun können, durch Umverteilung oder regionale Strukturpolitik. Das hat er nie getan", stellt der Wirtschaftswissenschaftler klar, der unter anderem die Bundesregierung berät.
"Zu glauben, man könne amerikanischen Industriearbeitern helfen, indem man das Welthandelssystem komplett zerlegt und Zölle auferlegt, ist halt blanker Unsinn", sagt Südekum, der SPD-Mitglied ist. "Das funktioniert nicht. Das haben ihm alle versucht zu erklären. Er versteht es nicht. Er will es nicht verstehen."
Auch die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier sagte im Interview mit ntv: "Das wird so nicht funktionieren." Zwar habe Trump seinen Finger auf einen wunden Punkt gelegt, "den wir alle ziemlich lange ignoriert haben: nämlich, dass durch die Globalisierung bestimmte Bevölkerungsschichten und Regionen in den USA besonders negativ getroffen wurden", so die Wirtschaftsprofessorin an der Universität Berkeley in Kalifornien. Doch Zölle seien keine Lösung. Europa müsse nun mit Entschlossenheit, aber ohne Eskalation reagieren.
Südekum hofft dabei auf die 90-tägige Zollpause. "Das Best-Case-Szenario wäre, dass der EU-Vorschlag für ein Freihandelsabkommen am Ende durchgeht", sagte er dem "Handelsblatt". "Und dass sich Trump und Musk dann feiern und sagen, das wollten wir immer erreichen - geschenkt."
"Buy European"-Klausel für Autos?
Neben den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen für Industriegüter sollte sich die EU nach Ansicht Südekums zwar auf Gegenzölle vorbereiten. Er sieht aber durchaus Chancen auf ein Industriezollabkommen. Denn schon während Trumps erster Amtszeit habe es eine Einigung auf ein Freihandelsabkommen gegeben, das wegen der Corona-Pandemie letztlich nur nicht umgesetzt worden sei. "Trump könnte auch heute ein Freihandelsabkommen sehr gut in seinem Sinne verkaufen."
Angesichts der Reaktionen der Finanzmärkte auf die US-Zölle und Empfehlungen von Beratern zu einer Kehrtwende könnte bei Trump "eine gewisse Einsicht" wachsen, hofft der Professor. Bei seinem "geopolitischen Hauptgegner" China werde der US-Präsident allerdings bei seinen Zöllen bleiben. Europa könne davon profitieren, da die Amerikaner angesichts der hohen Zölle mehr in Europa kaufen müssten.
Andererseits werden durch die massiven Zölle gegen China auch chinesische Exporte nach Europa umgeleitet. Verbraucher können sich deshalb zwar auf günstigere Preise freuen. Doch um die wichtige hiesige Autoindustrie zu schützen, empfiehlt Südekum im Gegenzug für chinesische Subventionen Ausgleichszölle und "Buy European"-Klauseln. "Wenn wir etwa Kaufprämien für Elektroautos auflegen, dann soll das Geld doch nicht in Peking landen."
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