So geht Sequel!
Ein autistisches und tödliches Mathegenie, sein Söldner-Bruder und ein toter Finanzbeamter mit Geheimbotschaft - "The Accountant 2" klingt wie wildes Genre-Bingo, funktioniert aber überraschend gut. Mehr noch: Der Actionthriller ist besser als sein Vorgänger.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Sequel seinen Vorgänger übertrumpft - auch nicht, wenn dieser nur bestenfalls mittelmäßig war. Doch genau dieses Kunststück gelingt Gavin O'Connor mit "The Accountant 2" überraschend mühelos. Der Film nimmt die Grundlage von Teil eins und verleiht ihr eine überraschend frische, unterhaltsame Note, die man so nicht erwartet hätte. Wo Teil eins vor allem durch seine kühle Ernsthaftigkeit und komplexe Figurenzeichnung auffiel, bringt die Fortsetzung frischen Wind in die Geschichte - mit deutlich mehr Witz, Charme und einem spürbar höheren Unterhaltungswert.
Ben Affleck kehrt in seiner Paraderolle von 2016 als autistischer Mathegenie-Killer Christian Wolff zurück, doch dieses Mal wirkt er nicht wie ein emotionsloser Rechenautomat, sondern mehr wie ein schräger Antiheld, der sich seiner eigenen Skurrilität bewusst ist. Nach den Ereignissen des ersten Teils hat sich Wolff wieder weitgehend zurückgezogen - bis ein mysteriöser Auftrag ihn dazu zwingt, erneut aktiv zu werden. Sein alter Freund Raymond King (J.K. Simmons) wurde ermordet und hinterließ kurz vor seinem Tod eine kryptische Nachricht auf seinem Arm, die Wolff mit einer unerwarteten Verbündeten zusammenbringt: der stellvertretenden Direktorin des US-Finanzministeriums Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson).
Gemeinsam müssen sie einen bizarren und vielschichtigen Fall um eine global agierende Investmentfirma aufklären, deren Bilanzen nicht nur verdächtig sind, sondern offenbar auch in Verbindung zu einem mächtigen und internationalen Kartell stehen. Wolff, der nicht nur wegen seiner mathematischen Fähigkeiten, sondern vor allem wegen seiner kompromisslosen Methoden engagiert wurde, benötigt alsbald Hilfe, die eine Bundesbehörde auf legalem Weg nicht bieten kann. Also rekrutiert er seinen entfremdeten Bruder Braxton (Jon Bernthal), der inzwischen als Söldner in eigenen Grauzonen operiert. Gemeinsam folgen sie einer Spur aus Zahlen, Leichen und Geheimnissen und geraten dabei zwischen die Fronten von Politik, Finanzwelt und organisierter Kriminalität. Während bald klar ist, dass es um weit mehr als nur Geld geht, reißen auch alte Wunden zwischen den Brüdern auf.
Brüderliche Dynamik ist das Herzstück des Films
Wie schon im ersten Teil ist die Story dabei nicht die Stärke des Films. Sie ist weder besonders originell noch besonders klar. Sie verstrickt sich diesmal sogar noch tiefer in Nebenhandlungen, Rückblenden und irgendwelchen Details. An einigen Stellen stört das. Besonders die Sammlung von autistischen "Wunderkindern" in der Einrichtung, die Christian Wolffs Eltern einst für ihn erwogen, wirkt überzeichnet. Die mathematischen Genies gehören zu seinem Netzwerk - alle mit einzigartigen Fähigkeiten und blitzgescheitem Verstand, dass man sich eher in der "X-Men"-Schule für Hochbegabte wähnt als in einem Thriller. Aber "The Accountant 2" interessiert sich eigentlich viel mehr für seine Figuren als für seine Verschwörung - und tut gut daran. Die Handlung ist Bühne, nicht Hauptattraktion. Die Dynamik zwischen den beiden Brüdern - jeder auf seine eigene Weise völlig unmöglich - ist das Herzstück des Actionthrillers und sorgt dafür, dass man sich ein weiteres gemeinsames Abenteuer mit den beiden wünscht.
Ben Affleck spielt seinen Christian Wolff diesmal mit deutlich mehr Ironie und Menschlichkeit. Er bleibt zwar kontrolliert und berechnend, doch in kleinen, großartigen Momenten bricht plötzlich etwas aus ihm heraus - etwa beim unerwarteten Linedancing in einer Cowboy-Bar, wo er für einen kurzen Moment wie jemand wirkt, der sich wirklich lebendig fühlt. Jon Bernthal liefert derweil als Braxton eine der charmantesten Bad-Boy-Performances seit Langem ab. Den Schauspieler, den man vor allem aus Rollen wie in "The Punisher" oder "Sicario" kennt, in denen er brutal, schweigsam und tief in seiner eigenen Dunkelheit gefangen war, bleibt in "The Accountant 2" zwar körperlich genauso explosiv, aber diesmal blitzt immer wieder ein fast kindlicher Humor durch. Mit seinen impulsiven Ausbrüchen, seiner Direktheit und seiner oft unbeholfenen herzlichen Art - etwa mit einem emotionalen Ausraster wegen eines Telefonats, um einen Corgie zu adoptieren - sorgt er für die lautesten Lacher.
"The Accountant 2" ist sicher kein Meilenstein des Actionthrillers, dafür ist die Story zu verwinkelt und das Genre zu überlaufen. Aber es ist einer dieser seltenen Fälle, in denen der zweite Teil den ersten übertrifft - mit mehr Witz, besserer Figurenzeichnung und einer ungewöhnlich charmanten Brüderdynamik. Wer den ersten Film mochte, wird hier mehr Spaß haben. Und wer ihn vergessen hat, wird überrascht sein, wie viel unterhaltsamer - und vor allem einprägsamer - diese Fortsetzung ist.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke