„Regierung verschifft uns in eine Falle“ – Wirtschaftsweise zerlegen Sondierungspapier
Zwei der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen kritisieren das Sondierungspapier von Union und SPD. Die Ökonomin Veronika Grimm bezeichnete die Vereinbarung als „gigantisches Unsicherheits-Paket“. Dem „Focus“ sagte sie: „Statt ein Signal der Stärke – in Richtung Russlands, aber auch der USA – auszusenden, verschifft uns die neue Bundesregierung absehbar in eine Falle.“
Die geplanten Schulden würden demnach „in großen Teilen nicht zusätzlich für zukunftsorientierte Ausgaben verwendet werden, sondern dafür, Spielräume im Kernhaushalt zu schaffen, um weitere Sozialausgaben und Vergünstigungen zu verankern oder sie aufrechtzuerhalten“, so Grimm weiter. Man schaffe eine Situation, „die immer auswegloser“ werde für zukünftige Bundesregierungen und für zukünftige Generationen.
Die „gigantischen Schulden“ dürften laut Grimm absehbar in eine Schuldenkrise in der Europäischen Union führen: „Die Zinsen auf Staatsanleihen steigen. Das wird insbesondere den hoch verschuldeten Staaten der Eurozone die Finanzierung zusätzlicher Verteidigungsausgaben erschweren.“ Zudem werde Deutschland sich nicht an den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt halten können, was Begehrlichkeiten bei anderen EU-Staaten wecke.
„Die Frage ist eigentlich nur, wie lange es dauert, bis es irgendwo schiefgeht. Alles wird umso unangenehmer, je weniger Wachstum ausgelöst wird. Und nachhaltiges Wachstum zeichnet sich nicht ab, eher ein vorübergehendes Strohfeuer durch die höheren Ausgaben“, sagte Grimm, die seit 2020 im Sachverständigenrat sitzt, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät.
Auch die Chefin des Gremiums, Monika Schnitzer, kritisierte Teile des Sondierungspapiers. Unverständlich sei „insbesondere, dass keine dringend erforderliche Rentenreform vereinbart wurde und dass im Wahlkampf versprochene Ausgabenerhöhungen wie Erhöhung der Mütterrente, der Agrardiesel-Subventionen und Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie umgesetzt werden sollen – trotz angespannter Haushaltslage“, sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Dafür wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen“, sagt Schnitzer
Besser wäre es gewesen, ein Signal an die Bevölkerung zu senden, dass alle auf etwas verzichten müssten, wenn deutlich mehr Geld in die Verteidigung gesteckt werden müsse. „Dafür wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen“, sagte die Chefin der Wirtschaftsweisen.
Die Grenze, ab der Verteidigungsausgaben nicht Schuldenbremse-relevant sein sollten, sei mit einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu niedrig angesetzt. Das liege unter dem bisherigen Haushaltsansatz für Verteidigung. Es fehle zudem eine Garantie, dass das vereinbarte Infrastruktur-Sondervermögen zusätzliche Investitionen finanziere, statt bestehende Haushaltslücken zu füllen oder Wahlgeschenke zu verteilen, erklärte Schnitzer.
Geplante Industriehilfen wie niedrigere Stromsteuern und Netzentgelte sowie Kaufprämien für E-Autos hält sie für sinnvoll, allerdings fehlten noch Finanzierungsdetails.
Knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl hatten Union und SPD am Samstag ihre Sondierungen für eine schwarz-rote Regierung erfolgreich abgeschlossen. Voraussichtlich in der kommenden Woche sollen Koalitionsverhandlungen beginnen.
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