Ergebnis der neuen Fisch-Ampel – nur diesen Fisch dürfen Sie noch ohne Bedenken essen
Langleine, Schleppnetz, Beifang oder Fanggebiet – die Fachbegriffe aus der Fischerei sind längst nicht jedem Kunden vertraut, der im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt Fisch einkaufen möchte. Und doch sind diese Informationen beim Einkauf wichtig als Orientierungshilfe über weniger oder stärker bedrohte Fischarten. Fischratgeber von Organisationen wie WWF bewerten die Zustände der Fischbestände mit dem Ziel, die Auswahl der Käufer an der Fischtheke zu beeinflussen.
Bei alledem lautet die grundsätzliche Empfehlung einiger Umweltschützer, weniger Fisch zu essen, um die Meeresbestände zu schonen. Unter Lobbyisten der Fischindustrie kommt Kritik an den Bewertungen und dieser Haltung auf.
Neben dem Fischfang aus Meeresgebieten wird Fischzucht an den Küsten oder auch an Land zunehmend wichtig für die Versorgung der Weltbevölkerung. Gut die Hälfte des weltweiten Fischverbrauchs von etwa 170 Millionen Tonnen wird laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen nicht mehr durch Wildfang aus dem Meer, sondern mit Zuchtanlagen gedeckt – Tendenz steigend.
Der Ratgeber des World Wide Fund for Nature (WWF) bildet 73 Fischarten ab. Davon tragen 34 Fische alle drei Empfehlungen in Grün („gute Wahl“), Gelb („zweite Wahl“) und Rot („lieber nicht“), das heißt, es gibt diese Fischarten in verschiedenen Fanggebieten und Fangmethoden – und daher mit unterschiedlicher Bewertung.
Fünf Fischarten vollständig mit Rot bewertet
Lediglich die fünf Fischarten Aal, Dornhai/Schillerlocke, Hai, Granatbarsch und Rochen sind ausschließlich mit Rot markiert und werden nicht empfohlen. Ohne jede Einschränkung in Grün bewertet der WWF nur den heimischen Karpfen aus Zuchtanlagen sowie Austern. Auch Forelle aus Zuchtbecken etwa in Dänemark, Norwegen, Schweden oder der Schweiz sowie Miesmuscheln aus Hänge- und Pfahlkulturen werden positiv beurteilt.
Die großen Mengen im Fischverzehr finden sich jedoch woanders: Die beliebtesten Fischarten der deutschen Fischesser sind laut dem Fisch-Informationszentrum in der Reihenfolge Lachs, Alaska-Seelachs, Thunfisch/Boniten, Hering und Garnele. Zu all diesen Arten finden sich Bewertungen.
Dies sind einige Beispiele des WWF-Ratgebers: Danach ist Hering aus dem größten Fischbestand in Teilen des Nordostatlantiks, in der Barentssee und in der Ostsee wegen Überfischung nicht mehr empfehlenswert.
Ebenso wird Makrele aus dem Nordostatlantik mit Rot bewertet. Als Alternative werden Nordsee-Hering oder Mittelatlantik-Makrele aufgelistet. Dagegen hat sich die Lage beim Alaska-Seelachs, der hierzulande häufig in Form von Fischstäbchen gekauft wird, verbessert. Fische aus dem Beringmeer werden mit Grün eingestuft, für Fanggebiete im Nordost- und Nordwestatlantik ist die Farbe Gelb die Bewertung.
Orientierung fällt etwa beim Thunfisch schwer
Beim Lachs ist das Bild unterschiedlich: Wildlachs aus Gewässern vor Alaska und Kanada wird mit Grün bewertet, aus dem Nordwestpazifik dagegen mit Rot. Der weitverbreitete Zuchtlachs aus Norwegen, Schottland oder auch von den Färöer Inseln findet sich nicht in der Auflistung.
Endgültig beim Thunfisch wird die Lage unübersichtlich: Alle vier großen Arten – Echter Bonito, Gelbflossen Thunfisch, Weisser Thunfisch und Grossaugenthun – tragen alle drei Farben der Bewertung. Aus zwei Dutzend Fanggebieten muss sich der Fischkonsument den für ihn geeigneten Fisch heraussuchen.
Auch dieser Gegensatz gehört zur Komplexität des Themas: Bei den mit Rot gekennzeichneten Fischen gibt es oftmals Alternativen aus anderen Ländern oder Meeresgebieten.
So werden tropische Garnelen mit Grün bewertet, wenn sie aus Zuchtanlagen in Vietnam oder Europa kommen. Die Herkunft dieser Garnelenart aus Lateinamerika oder Südostasien ist dagegen ebenso wie Wildfang mit Rot gekennzeichnet.
Das Fazit der WWF-Experten lautet: „Mit Blick auf die Gesundheit der Meere sollte man Fisch als nicht alltägliche Delikatesse genießen.“ Bei weltweit 38 Prozent überfischten Fischbeständen und 51 Prozent bis an die Grenze befischten Beständen, so listen es die Meeresbiologen des WWF auf, könne es sonst bald nicht mehr genügend Fisch zu fangen und zu essen geben. „Kaufen Sie weniger Fischprodukte“, schreibt der WWF.
Fischarten aus Zuchtanlagen fallen in der Bewertung durch
Auch zum Zuchtfisch ist die Haltung kritisch. „Vermeiden Sie gezüchtete Raubfische wie Dorade oder Seebarsch, da diese durch ihr Futter den Druck auf Wildbestände erhöhen“, schreibt der WWF. Schließlich würden zur Zucht vieler Fische Futterfische aus dem Meer benötigt. Zudem gebe es durch die Zuchtanlagen Gewässerverschmutzungen mit Chemikalien, Antibiotika und Exkrementen.
Lobbyisten aus der Fischindustrie verweisen dagegen auf die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese mit öffentlichen Mitteln geförderte, wissenschaftliche Organisation empfiehlt ein bis zwei Fisch-Portionen pro Woche auf dem Teller.
„Auch wir raten zu wöchentlich zweimal Fischessen. Fisch hat einen geringeren CO₂-Fußabdruck als Fleisch und ist ein für die Umwelt besser verträgliches Nahrungsmittel“, sagt Stefan Meyer, Geschäftsführer des Fisch-Informationszentrums. Dennoch hält der promovierte Meeresbiologe derartige Ratgeber grundsätzlich für nützlich, weil sie „auf die richtigen Themen aufmerksam machen“.
Allerdings stellt Meyer den praktischen Nutzen der Empfehlungen infrage. „Wir haben einen Schmerzpunkt erreicht, was wir den Verbrauchern noch an Details für den Fischeinkauf zumuten können. Sprache und Wortwahl sind kaum mehr verständlich“, sagt Meyer. Die Alltagstauglichkeit derartiger Ratgeber sei für Verbraucher gering, denn die Differenzierung gehe zu weit.
Viele Einkäufer seien davon einfach überfordert. Das Fisch-Informationszentrum verweist auf die Internetseite Fischbestände-Online, die ebenfalls über Fischarten und deren Bestände sowie Fangmethoden informiert, allerdings nicht mit einer Farbangabe als Empfehlung.
Fischereibetriebe bei der Nachhaltigkeit unterstützen
Statt pauschal vom regelmäßigen Fischessen abzuraten, solle der WWF lieber zusammen mit der Fischindustrie an Verbesserungen in den beanstandeten Fanggebieten und bei den betroffenen Fischereibetrieben arbeiten.
„Wir sollten unsere Einkaufsmacht eher dafür nutzen, im Ursprungsland der Fischereien aktiv zu werden und deren Nachhaltigkeit zu verbessern“, sagt Meyer, der zugleich Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels ist. Ziel müsse es sein, dass sich Fischbestände langfristig erholten.
Ein Beispiel dafür liefert das Fischsiegel Marine Stewardship Council (MSC) mit einem gerade gestarteten weltweiten Programm zur Verbesserung von Fischereien. MSC unterstützt dabei nicht nachhaltig arbeitende Fischereibetriebe über einen mehrjährigen Zeitraum, wie sie die Kriterien für das Fischsiegel erreichen und dadurch die Fischbestände schonen können. Erste erfolgreiche Beispiele kommen aus den Ländern Südafrika, Mexiko, Indonesien, Indien, Nicaragua, Peru und Schottland.
Es gibt noch andere Ansätze: Mehrere Unternehmen in Skandinavien arbeiten an der Fischzucht an Land als zukunftsfähiger Alternative. Noch sind die produzierten Mengen sehr gering.
Die Kosten je Kilogramm Fisch betragen ein Vielfaches gegenüber der Zucht in Küstengewässern. Im dänischen Hirtshals etwa steht die derzeit größte landbasierte Zuchtanlage.
In dem Betrieb wird Lachs in einem geschlossenen Kreislauf gezüchtet. Abwasser fällt nur in geringen Mengen an. Umweltschützer sehen darin durchaus eine Verbesserung. „Die Nachhaltigkeit spricht für Fischzucht an Land“, sagt WWF-Meeresbiologe Philipp Kanstinger.
Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet unter anderem über Schifffahrt, Logistik und Mittelstandsunternehmen.
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