Jetzt will die Bahn ihre Verspätungen und Ausfälle wenigstens besser ankündigen
Gelegenheiten, die sogenannte Reisendeninformation der Deutschen Bahn auch im Störungsfall zu begutachten, gab es in den vergangenen Monaten zuhauf. Mehr als jeder dritte Fernverkehrszug kam im vergangenen Jahr mehr als sechs Minuten zu spät ans Ziel, ausgefallene ICEs und ICs noch nicht einmal eingerechnet. Neben der Verspätung oder dem Ausfall selbst sorgt vor allem immer wieder die Kommunikation der Probleme für Ärger unter den Fahrgästen.
Viele Bahnkunden haben schon erlebt, wie die Verspätungsprognose nach und nach hochtickert und immer schlimmer wird: Erst sollen es nur fünf Minuten Verspätung sein, wenn die rum sind, springt die Zahl auf zehn Minuten und so wiederholt sich das oft noch ein paar Mal – bis der Zug dann schlimmstenfalls ganz gestrichen wird. Gelegentlich gibt es aber auch den Fall, dass sich eine erst moderate Verspätung plötzlich auf einen Schlag sprunghaft deutlich vergrößert.
Glaubt man der Bahn, soll das in Zukunft seltener vorkommen. Der Staatskonzern will seine Reisendeninformation in den kommenden drei Jahren verbessern. Damit sind alle Kanäle gemeint, auf denen Fahrgäste Echtzeitinformationen über ihre Züge bekommen können.
Dazu zählen unter anderem die Handy-App „DB Navigator“, die inzwischen mehr als 80 Millionen Mal heruntergeladen wurde, aber auch die Anzeigetafeln in Zügen und an Bahnhöfen oder die Internetseite bahn.de.
Die Bahn erzeugt nach eigenen Angaben pro Tag für 40.000 Züge Prognosen, wann sie ihr Ziel erreichen. Dafür werden insgesamt 400 Millionen sogenannte Datenpunkte mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet, alles in allem entstehen so jeden Tag rund 150 Millionen Einzelvorhersagen.
Die Bahn nennt das System den „Prognoseautomaten“. Der funktioniere im regulären Betrieb relativ gut, sagt Technik-Vorständin Daniela Gerd tom Markotten. „Bei Betriebsstörungen kommt aber auch der Prognoseautomat an seine Grenzen.“ Doch ausgerechnet in diesen Ausnahmefällen wären zuverlässige Informationen am wichtigsten. Dann kommen aber doch wieder die Mitarbeiter der Bahn ins Spiel, die händisch die Prognose der KI überschreiben.
„Dann kann es auch zu sprunghaften Prognoseanpassungen kommen“, sagt Gerd tom Markotten. Das passiere aber nur bei einem Prozent aller veröffentlichten Vorhersagen. Solche sprunghaften Verspätungsanstiege empfinden die Fahrgäste laut Kundenbefragungen als besonders ärgerlich. Der zweite Punkt, der demnach für besonders viel Unmut sorgt, ist ein kurzfristiger Zugausfall.
Im Rahmen seines Sanierungskonzeptes habe sich der Staatskonzern daher „ambitionierte Ziele“ gesetzt, um die Reisendeninformation noch zu verbessern, sagt die Technik-Vorständin.
Dafür hat die Bahn erst vor wenigen Monaten ihre eigene Definition angepasst, in welchen Fällen die Fahrgäste als rechtzeitig informiert gelten. Bislang musste dafür lediglich elf Minuten vor der eigentlich geplanten Abfahrt angekündigt werden, dass ein Halt des Zuges ganz ausfällt.
Das dürften die wenigsten Passagiere als „rechtzeitig“ empfunden haben, schließlich mussten sie zu diesem Zeitpunkt zumindest schon auf dem Weg zum Bahnhof sein, wenn sie nicht sogar schon am Gleis warteten.
Fahrgäste müssen eine Stunde vor Zugausfall informiert werden
Inzwischen gilt ein Ausfall daher nur noch als rechtzeitig kommuniziert, wenn die Fahrgäste mindestens eine Stunde vor der geplanten Abfahrt informiert sind. Ein Gleiswechsel muss demnach mindestens sieben Minuten vor der Abfahrt vermeldet sein, damit die Passagiere noch rechtzeitig den Zug erreichen können.
Und in der letzten halben Stunde vor der geplanten Abfahrt darf die Prognose für die tatsächliche Abfahrt nur noch zwei bis sechs Minuten von dem Zeitpunkt abweichen, wenn der Zug sich auch wirklich in Bewegung setzt.
Nach Bahn-Angaben werden diese Vorgaben bereits jetzt in 74 Prozent der Fälle eingehalten – in jedem vierten Fall aber eben auch nicht. Bis 2027 soll dieser Wert auf über 80 Prozent steigen. Das würde zwar noch nicht die Zahl der Verspätungen und Zugausfälle reduzieren, aber die Fahrgäste wären dann immerhin etwas besser darüber informiert.
Im Zweifel sollten sich die Passagiere übrigens am besten über die Handy-App „DB Navigator“ informieren, dort würden die aktuellsten Informationen angezeigt. Hingegen seien noch nicht einmal die Anzeigen in allen ICEs mit Echtzeitdaten ausgestattet.
Bei der Bahn denkt man für die Zeit, in der die Züge mit den veralteten Daten und Anzeigen noch unterwegs sind über eine ungewöhnliche Lösung nach: Man überlege in den Zügen darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Echtzeitanzeige handele. Dann wissen die Passagiere immerhin, dass sie sich darauf nicht verlassen können.
Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn. Seinen exklusiven WELTplus-Newsletter können Sie hier abonnieren.
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