Fast ein Jahr ist es her, dass bei Rock Tech Lithium gefeiert wurde. Mitte Mai 2024 erhielt das deutsch-kanadische Unternehmen eine Bau- und Betriebserlaubnis für eine Lithium-Raffinerie in der kleinen brandenburgischen Stadt Guben.

Danach hätte es eigentlich losgehen können. Das Grundstück an der polnischen Grenze ist vorbereitet. Doch es passierte fast nichts.

Bisher fehlte das Geld, um den sogenannten Lithium-Konverter zu bauen. Die Investoren hielten sich zurück. Denn es ist unklar, woher der Rohstoff kommen kann, der in Guben zu Lithiumhydroxid – ein wichtiger Bestandteil vieler Batterien von Elektroautos – verarbeitet werden soll.

Zuletzt strich Rock Tech Arbeitsplätze. Und der Aktienkurs dümpelte weit unter einem Euro vor sich hin. Es sah nicht gut aus für das einstige Vorzeigeprojekt.

Aber nun gibt es wieder Hoffnung. Der Konverter in Guben soll Hilfe aus Brüssel erhalten. Die EU will 47 Minen, Raffinerien und Recyclinganlagen in 13 Mitgliedstaaten fördern – und so unabhängiger von den Rohstoffen anderer Weltregionen werden.

Rock Tech ist eines von drei deutschen Unternehmen, die es auf die Liste geschafft haben. Die anderen sind der Lithium-Produzent Vulcan Energy und der Batterie-Spezialist PCC Thorion.

Die Macht über die Rohstoffe, die Europa für den Fortschritt braucht, hat vor allem China – ein Staat, der als wenig verlässlicher Handelspartner gilt. Lithium etwa wird oft in Südamerika und Australien abgebaut und dann in die Volksrepublik verschifft.

Dort verwandeln Raffinerien es in Bestandteile für Batterien und Computer. Die exportiert das Land dann in die ganze Welt. Und die EU? Ist von den globalen Wertschöpfungsketten abgeschnitten.

„Wir brauchen mehr Minen“, sagte EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné am Dienstag in Brüssel, als er das neue Förderprogramm vorstellte. „Europa kann Rohstoffe nicht länger nur jenseits der eigenen Grenzen kaufen.“

Europa will sich wieder selbst mit Rohstoffen versorgen

Es ist ein bemerkenswerter Kurswechsel für den Kontinent. Minen verseuchen oft Flüsse und Böden, sind staubig und laut, wo sie entstehen, protestieren die Menschen meist, so wie zuletzt in Serbien.

Die Europäische Union verlagerte das Problem daher gerne in ferne Teile der Erde. Nun soll damit Schluss sein. Der Bergbau, so scheint es, könnte hierzulande eine Renaissance erleben.

Europa möchte sich selbst versorgen, wenigstens so gut es geht. Denn der Strom der Rohstoffe kann jederzeit versiegen. Im Sommer 2022 drosselte Russland die Lieferung von Gas, aus Rache für Sanktionen, die Brüssel nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine verhängt hatte.

Und im Herbst 2023 schränkte China den Export von Gallium und Germanium ein. Das sind zwei Metalle, die für Computerchips benötigt werden.

Die EU reagiert auf all das und will künftig zehn Prozent ihres Bedarfs an sogenannten kritischen Rohstoffen daheim fördern. Geht es nach dem Willen Brüssels, dann entstehen überall auf dem Kontinent bald neue Bergwerke, Aufbereitungsanlagen und Abraumhalden.

22 der Projekte, die nun Unterstützung erhalten, haben mit Lithium zu tun, so wie der Konverter in Guben. Das Metall ist begehrt, es wird auch „weißes Gold“ genannt. Bis 2050 dürfte der Bedarf laut der Kommission um den Faktor 57 wachsen. Lithium, meint die Behörde, könnte eines Tages wichtiger sein als Öl, das „schwarze Gold“.

Im Zweifel Vorrang vor Naturschutz

Wie genau hilft Brüssel? Zum einen sollen Minen schneller genehmigt werden. Heute vergehen oft fünf bis zehn Jahre, bis eine Firma irgendwo bohren oder sprengen kann. Künftig dürfen es nicht mehr als 27 Monate sein.

Die Kommission erlaubt etwa, Untersuchungen zu den Folgen des Abbaus für die Umwelt zu verkürzen. Nationale Behörden, heißt es im Regelwerk, können Infrastruktur zur Gewinnung von Bodenschätzen als „übergeordnetes öffentliches Interesse“ einstufen. Anders formuliert: Kommt es hart auf hart, erhält Bergbau in Europa jetzt Vorrang vor dem Naturschutz.

Zum anderen soll die Europäische Investitionsbank in diesem Jahr zwei Milliarden Euro bereitstellen. Auch können die 47 ausgewählten Projekte Gelder aus dem sogenannten Kohäsionsfonds erhalten, der eigentlich für ärmere Regionen in der EU gedacht ist.

Aber die Kommission hofft, dass die geplanten Minen und Raffinerien auch ohne die Mittel auskommen. Schließlich tragen sie jetzt, so das Kalkül, eine Art europäisches Gütesiegel, wurden von Brüssel als wichtig und rentabel eingestuft – und sind damit attraktiv für private Investoren.

Für den Konverter in Guben könnte das eine Rolle spielen. Von schnelleren bürokratischen Verfahren profitiert Rock Tech erst einmal nicht – die Genehmigungen liegen ja schon vor. Insider gehen aber davon aus, dass die Fremdkapitalkosten für eine Finanzierung des Konverters durch die Unterstützung der EU günstiger ausfallen dürften.

Nur braucht das Unternehmen dafür erst einmal Investoren – und die wollen zunächst Lieferverträge sehen. In gut informierten Kreisen gibt man sich optimistisch, dass in den kommenden Wochen auch bei der Lithium-Beschaffung ein Durchbruch möglich ist. Verhandelt wird dem Vernehmen nach mit Lieferanten aus Australien.

Mögliches Investment-Interesse von Mercedes-Benz

Sollte es gelingen, die Rohstofflieferungen zu sichern, gebe es auch interessierte Investoren, heißt es in Verhandlungskreisen. Vor allem ein bekannter Name wird immer wieder genannt: Mercedes-Benz.

Der Autobauer hatte bereits eine Abnahmevereinbarung für das fertige Lithiumhydroxid mit Rock Tech geschlossen – obwohl es bislang weder das Ausgangsmaterial noch den Konverter gibt. Spekuliert wird nun, dass Mercedes bereit sein könnte, als einer der Finanziers einzusteigen, wenn die Rohstoffbeschaffung sichergestellt ist.

Rock Tech will die Aufnahme auf die EU-Liste jedenfalls nutzen und das Projekt doch noch vorantreiben. Am Dienstag verschaffte sich das Unternehmen finanziell etwas Luft.

Kurz vor der Börsenöffnung in Kanada teilte Rock Tech mit, man habe eine Kapitalerhöhung durchgeführt und Anteile im Wert von gut 2,6 Millionen Dollar bei alten und neuen Investoren platziert. Dem Vernehmen nach reicht das Geld jetzt wohl immerhin, um bis zum Jahresende weiter nach einer Finanzierung für den Konverter zu suchen.

Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU. Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn.

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