Vier Bürokratieentlastungsgesetze gab es in Deutschland. Das erste trat Anfang 2016 in Kraft, das zweite im Juli 2017, das dritte im Januar 2024, das letzte ist erst wenige Wochen alt. Verabschiedet im vergangenen Oktober, gilt es seit 1. Januar dieses Jahres.

Schon zuvor gab es Initiativen, die überbordende Regulierung einzuhegen, verbunden oft mit großen Namen. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sollte Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement die Papierflut bezwingen.

Später war mit Rainer Brüderle (FDP) einer seiner Nachfolger dafür zuständig. Peter Altmaier (CDU), zeitweise ebenfalls Bundeswirtschaftsminister, machte sich die Aufgabe ebenfalls zu eigen.

Unterm Strich ist zu wenig passiert. Daher wollen die künftigen Koalitionspartner in einer neuen schwarz-roten Koalition die Bürokratie um 25 Prozent reduzieren.

Es wäre zumindest ein Anfang: Unternehmer und Manager fühlen sich von der Fülle an Gesetzen in ihrer Handlungsfreiheit eingeengt.

Größtes Problem: lange Planungs- und Genehmigungsverfahren

Lange und aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren gelten für zwei Drittel der Entscheidungsträger der Privatwirtschaft als größtes bürokratisches Hindernis, wie eine repräsentative Studie des Meinungsforschers Civey im Auftrag des SPD-Wirtschaftsforums unter 1000 Führungskräften zeigt.

Die Untersuchung liegt WELT AM SONNTAG vor. Zögerliche Verwaltungsentscheidungen sowie aufwendige Dokumentations- und Berichtspflichten folgen mit nahezu jeweils 50 Prozent auf den Plätzen zwei und drei.

Vor einer Woche erst hatte der wissenschaftliche Beirat des noch von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministeriums entsprechende Vorschläge präsentiert: Der Beirat empfiehlt unter anderem, darauf zu achten, dass der Nutzen neuer Gesetze deren Kosten übersteigt.

Gesetze mit hohem bürokratischem Aufwand sollten nach einer festgelegten Frist evaluiert und notfalls wieder abgeschafft werden. Außerdem sollte der Gesetzgeber darauf verzichten, EU-Vorgaben mit weitergehenden Vorschriften zu ergänzen – was eine besondere deutsche Spezialität ist.

Die von Civey befragten Manager und Unternehmer halten vor allem zwei Strategien für Erfolg versprechend, um bürokratische Abläufe zu verbessern: Rund 30 Prozent von ihnen fordern vor allem die automatische Erteilung von Genehmigungen, wenn entsprechende Anträge bis Fristablauf nicht beantwortet wurden. Außerdem hält ein Viertel der Befragten „klare Handlungsspielräume für mutiges Entscheiden“ für wichtig, um den Behörden spürbar mehr Geschwindigkeit zu verleihen.

Als konkrete Maßnahmen wünscht sich knapp ein Drittel „mehr Eigenverantwortung für Angestellte“, rund ein Viertel fordert „vereinfachte Ausschreibungen“ und gut 22 Prozent wollen „Anreize für schnelles und gutes Entscheiden in den Behörden“ sehen.

Erfolg ist alles andere als sicher

Betrachtet man die Befragungsergebnisse nach Parteipräferenz, fällt auf, dass unter den Führungskräften die SPD- und BSW-Anhänger wenig Vertrauen in mehr Eigenverantwortung haben. Unter denen, die SPD wählen würden, glaubt nur etwa ein Fünftel, dass mehr Eigenverantwortung der Bürokratie Beine machen würde.

BSW-Wähler stehen einem Mehr an Souveränität von Beamten noch skeptischer gegenüber. Nicht einmal zehn Prozent glauben daran. Bei den Anhängern von Union und FDP dagegen gilt Eigenverantwortung als ein Schlüssel zum Erfolg.

„Zu komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren, zögerliche Verwaltungen und Dokumentations- und Berichtspflichten lähmen die deutsche Wirtschaft in einer angespannten Lage“, kritisiert die Verbandspräsidentin des SPD-Wirtschaftsforums, Ines Zenke. „Diese Hängepartie können wir uns nicht länger leisten.“ Die neue Bundesregierung müsse die Herausforderung endlich angehen – „ob durch einen Digitalisierungsschub, durch schlankere Gesetze oder durch klarere Handlungsspielräume für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden“.

Wie die Geschichte zeigt, ist der bloße Wille zum Bürokratieabbau aber noch keine Erfolgsgarantie.

Jan Dams ist Ressortleiter Wirtschaft und Finanzen von WELT und WELT am Sonntag.

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