Union und SPD haben sich auf ein 500 Milliarden Euro großes Sondervermögen für die Infrastruktur geeinigt, das der Konjunktur einen deutlichen Schub geben soll. Die Frage ist nun, wird es kommen und wenn ja, ob das Finanzpaket der Wirtschaft die erhofften Impulse gibt.

Die Zoll- und Handelspolitik der USA dämpft die ohnehin schon kriselnde deutsche Wirtschaft. Wird das geplante Sondervermögen von Union und SPD dem etwas entgegensetzen können? Die Frühjahrsprognosen von führenden deutschen Forschungsinstituten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Eine schwarz-rote Bundesregierung kann laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (ifW) bei Umsetzung der in den Sondierungsgesprächen vereinbarten Pläne im kommenden Jahr durchaus mit einem Wachstumsschub rechnen. Für das laufende Jahr rechnet das Institut zwar nicht mit Wachstum, aber immerhin mit einer Stagnation. "Die wirtschaftliche Dynamik wird zunächst schwach bleiben", hieß es. "Zeichen für eine spürbare konjunkturelle Belebung sind rar gesät." Die deutsche Wirtschaft leide vor allem unter strukturellen Problemen, die kurzfristig kaum nachlassen dürften.

Für 2026 wurde die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes merklich von 0,9 auf 1,5 Prozent angehoben. "Die geplanten Verteidigungsausgaben können Deutschland strukturell einen Schub geben, wenn sie richtig ausgegeben werden", erklärte IfW-Präsident Moritz Schularick. Das Geld müsse in deutsche beziehungsweise europäische Unternehmen und technologische Verteidigungslösungen fließen. "Dann kann auch die zivile Industrie von den Innovationen profitieren."

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Ökonomen vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Die Forscher rechnen für dieses Jahr allerdings nicht wie die Kieler mit Stagnation, sondern einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Für 2026 bestätigt das IWH seine Wachstumsprognose von 1,3 Prozent. "Die öffentlichen Mehrausgaben dürften nach und nach konjunkturell eine stimulierende Wirkung entfalten", sagt IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. Der Politikschwenk treffe auf eine Wirtschaft, "die in einer Krise steckt, welche durch Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsschwäche gekennzeichnet ist".

RWI skeptisch: Zeigen Maßnahmen sofort Wirkung?

Das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI kommt hingegen zu einem anderen Schluss. Die Essener sagen der deutschen Wirtschaft 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge voraus. Das Bruttoinlandsprodukt werde um 0,1 Prozent sinken, teilten die Regierungsberater mit. Wenn es so kommt, wäre es die längste konjunkturelle Durststrecke seit Gründung der Bundesrepublik. Im Dezember hatten die Ökonominnen und Ökonomen noch 0,6 Prozent Wachstum erwartet. Doch damit nicht genug: Für 2026 liegt die Prognose jetzt bei 1,2 Wachstum statt vorher 1,3 Prozent. Sie unterstellen, dass sich die gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten nur nach und nach verringern.

RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt erklärt die unterschiedlichen Prognosen im Gespräch mit ntv damit, dass unter den Instituten Uneinigkeit darüber herrsche, in welcher Phase man sich befinde und wie groß die Effekte, die auf die deutsche Wirtschaft einwirken, tatsächlich sind. Große Unsicherheit gebe es etwa durch die Zölle aus den USA und die schwierigen Koalitionsverhandlungen in Deutschland. Das veranlasse Verbraucher und Unternehmen, sich mit Ausgaben zurückzuhalten. "Gerade bei der Frage, wann und in welchem Umfang das geplante Sondervermögen wirkt, gehen die Meinungen auseinander", sagt Schmidt.

Das RWI geht nicht davon aus, dass die Maßnahmen sofort Wirkung zeigen werden. Gerade die Investitionen in die Verteidigung sprechen laut Schmidt erst einmal nur eine sehr kleine Gruppe von Unternehmen an. Außerdem seien Unternehmen wie Rheinmetall zurzeit sehr hoch ausgelastet. Zusätzliche große Aufträge könnten Unternehmen in Schwierigkeiten bringen, diese schnell abzuarbeiten. "Es ist sicherlich denkbar, dass Unternehmen ihre Kapazitäten hochfahren, aber das dauert natürlich seine Zeit." Das RWI erwartet deswegen sowohl bei Verteidigung als auch bei Infrastruktur keine unmittelbare Wirkung, sondern erst im Laufe des nächsten Jahres.

Diskussion um Streichung von Feiertag

Damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, fordert Schmidt zudem verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen. Die Regierung müsse Weichen in den Bereichen Energieversorgung und Einhaltung von Klimazielen setzen. Wenn klar wird, wie das passieren soll und mit welchen Maßnahmen in den nächsten Jahren zu rechnen sei, dann werden Unternehmen auch investieren. "Solange unsicher ist, dass sich eine Investition, die man heute tätigt, in fünf Jahren noch rentiert, werden diese Investitionen ausbleiben", sagt Schmidt.

Die Diskussion, einen Feiertag zu streichen, um die Ausgaben gegenzufinanzieren, stößt laut Schmidt zumindest eine dringend notwendige Diskussion an. "Im Moment brechen alle Dämme. Man will alles mit Verschuldung finanzieren. Das wird nicht funktionieren. Wir brauchen eine Reform und eine Prioritätensetzung im üblichen Haushalt."

Einig sind sich beide Institute, dass erhöhte Unsicherheiten durch drohende US-Zölle die Handelsbeziehungen zusätzlich belasten. Sollte US-Präsident Donald Trump die Zölle auf deutsche Einfuhren erhöhen - wie für die ifW-Prognose unterstellt wird -, dürfte dies die Wirtschaftsleistung zusätzlich dämpfen. Dass sich der Zollstreit in Wohlgefallen auflöst, hält auch Reinhard Pfingsten, Chef-Anlagestratege Deutsche Apotheker- und Ärztebank, im Gespräch mit ntv zwar für möglich. Er gibt aber auch zu bedenken: "Trump ist diesmal an der Stelle fundamentaler unterwegs." In dieser Administration gehe es dem US-Präsidenten um grundsätzlichere Themen, gerade Zölle würden die Wirtschaft sicher noch länger beschäftigen.

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