Der Sonnenschein vor dem üppigen Konferenzraum des Pharmaunternehmens Stada in Bad Vilbel scheint die Stimmung von Vorstandschef Peter Goldschmidt wiederzugeben. Vor ihm auf dem Tisch liegen Ausdrucke mit den Ergebnissen des abgelaufenen Geschäftsjahres. Sämtliche Sparten des Konzerns sind gewachsen. Der Verkauf von Generika, also patentfreien Medikamenten, hat der Konzern in Europa um 6,5 Prozent gesteigert. Die freiverkäuflichen Arzneien verbuchen ein Plus von 6,9 Prozent.

Ruhe will in Bad Vilbel dennoch nicht einkehren. Kurz vor dem Interview muss Goldschmidt noch ein dringendes Gespräch mit einem Mitarbeiter führen. Während des Interviews versammelt sich vor dem Konferenzraum eine ganze Riege an Managern, die auf den Folgetermin mit Goldschmidt harren. Die Hektik ist den anstehenden Änderungen bei dem Traditionskonzern geschuldet. 2017 haben die Private Equity Fonds Bain Capital und Cinven den Konzern übernommen und später von der Börse genommen. Nun könnten die Eigentümer Stada erneut an die Börse bringen. Doch kann ein Börsengang inmitten der von US-Präsident Donald Trump ausgelösten geopolitischen Krise überhaupt gelingen?

WELT: Herr Goldschmidt, was ist schiefgelaufen, dass Stada nun an die Börse gebracht wird? Die Finanzinvestoren Bain Capital und Cinven, die Stada 2017 übernommen und von der Börse genommen haben, wollten das Unternehmen an einen anderen Finanzinvestor weiterverkaufen. Will derzeit niemand einen Arzneimittelhersteller kaufen?

Peter Goldschmidt: Um Ihre Frage zu beantworten, sollte man zunächst betrachten, was Stada in den vergangenen sechs Jahren gelungen ist. Wir haben die Produktivität des Unternehmens gesteigert und haben mittlerweile über 260 Projekte in der Entwicklung für die nächsten Jahre. Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir den Konzernumsatz im Vergleich zu dem vorherigen Geschäftsjahr um neun Prozent auf mehr als vier Milliarden Euro gesteigert. Es gibt nicht viele private Finanzinvestoren, die Unternehmen dieser Größe kaufen könnten. Zudem haben wir nie gesagt, dass wir nur einen Verkauf anstreben. Wir haben immer einen dualen Weg verfolgt, also Gespräche mit möglichen Käufern geführt und parallel an einem potenziellen Börsengang gearbeitet.

WELT: Aber der Börsengang ist in den Planspielen von Finanzinvestoren doch meist der Plan B.

Goldschmidt: Das würde ich nicht sagen. Für uns war ein Börsengang immer eine Alternative zu einem Verkauf. Und noch einmal: Ich betrachte Stada nicht als üblichen Private-Equity-Verkauf. Wir haben die Produktivität in den vergangenen sechs Jahren in sämtlichen Bereichen gesteigert und in die Zukunft investiert. In diesen Bereichen könnte ein neuer Eigentümer also gar nicht mehr viel rausholen. Unser Fokus ist Wachstum mit einem sehr niedrigen Risikoprofil und wir wachsen in all unseren Sparten deutlich.

WELT: Bislang wurde ein Börsengang von Stada nach Ostern kolportiert. Bleibt es bei diesem Datum?

Goldschmidt: Wir haben nie ein konkretes Datum für einen Börsengang genannt. Fix wird der Börsengang erst, wenn man eine sogenannte Intention to float verkündet. Das steht bei uns noch aus. Derzeit beobachten wir sehr genau das Marktumfeld. Wer in den letzten Tagen Zeitung gelesen hat, weiß, wie schnell sich die Märkte gerade ändern und wie volatil die geopolitische Lage ist. Ich kann aktuell nicht sagen, wie groß in ein paar Wochen die Zuversicht in den europäischen Finanzmärkten sein wird.

WELT: Wäre es auch denkbar, dass Stada doch noch an einen Finanzinvestor verkauft wird und den Börsengang ganz absagt?

Goldschmidt: Wir sind mit vielen Interessierten im Gespräch. Ich kann diese Option nicht ausschließen, es ist aber eher unwahrscheinlich.

WELT: Sie betonen das Wachstum von Stada. Gestiegen ist in den letzten sechs Jahren aber auch der Schuldenstand, der wegen zahlreicher Übernahmen aktuell bei 5,6 Milliarden Euro liegt. Wie erklären Sie denn das Ihren potenziellen Aktionären?

Goldschmidt: Die Antwort ist ganz einfach: Der Schuldenstand würde sich durch einen potenziellen Börsengang auf rund 2,5 Milliarden Euro reduzieren. Der Großteil davon durch die Einnahmen aus einem potenziellen Börsengang und von Investitionen von unseren Private Equity Eigentümern, die auch mit einem beachtlichen Bestandteil nach einem potenziellen Börsengang investiert bleiben wollen. Wir würden aber einen Börsengang nicht machen, um Schulden zu reduzieren, sondern weiter investieren zu können.

WELT: Warum planen Sie dann einen Börsengang in so unsicheren Zeiten?

Goldschmidt: Gerade in diesem schwierigen Marktumfeld betrachten wir uns als sehr guten Börsenkandidaten. Unser Risikoprofil ist ausgezeichnet. Wir sind während der Covid-Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine gewachsen. Das liegt daran, dass wir in mit Generika, Consumer Healthcare und Spezialpharmazeutika in drei Sparten operieren, und in mehr als hundert Ländern verkaufen. Zudem verfügen wir über ein sehr breites Produktportfolio. Wir sind nicht wie andere Pharmafirmen von einer Handvoll Bestseller abhängig. Unser bestverkauftes Produkt trägt gerade einmal 3,7 Prozent zum Umsatz bei. Es schmerzt uns also nicht, wenn ein Produkt Probleme bekommen sollte. Wir sind trotz volatiler Märkte resilient. Gerade in schwierigen Zeiten sind wir für Investoren das ideale Unternehmen.

WELT: Viele Pharmaunternehmen zittern vor US-Zöllen auf Pharmaprodukte. Wie groß ist Ihre Sorge?

Goldschmidt: Stada hat in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Viele Pharmafirmen machen 30 bis 60 Prozent ihres Umsatzes am US-Markt. Bei Stada machen wir hingegen so gut wie keinen Umsatz in den USA und haben dort nur ein indirektes Geschäft, indem Partnerunternehmen dort einige unserer Produkte vermarkten. Wir haben schon vor Jahren bewusst entschieden, uns auf den europäischen Markt zu konzentrieren. Diese Entscheidung macht sich nun bezahlt.

WELT: Nach wie vor bekommen viele Patienten die Engpässe bei Medikamenten zu spüren, vor allem bei Generika, also patentfreien Medikamenten. Wieweit hat Stada mit gerissenen Lieferketten und Produktionsausfällen zu kämpfen?

Goldschmidt: Bei 24.000 Produkten kann man vereinzelte Probleme in den Lieferketten und bei der Auslieferung nicht ausschließen. Aber die Probleme liegen im Minimalbereich. Insgesamt war 2024 in puncto Lieferfähigkeit das beste Jahr unserer Unternehmensgeschichte. Gelungen ist uns das, weil wir das Prinzip des Dual Sourcing konsequent anwenden. So unterhalten wir pro Medikament zwei separate Produktionen und zwei Einkaufsoptionen. Dadurch war es uns sogar möglich, einzelne Lieferausfälle anderer Medikamentenhersteller zu kompensieren.

WELT: So gut scheint es nicht bei allen in der Branche zu laufen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) listet seit Monaten rund 500 Arzneien als nicht lieferbar. Warum können Sie liefern und andere Generikahersteller nicht?

Goldschmidt: Die Gründe dafür sind vielfältig. Wenn Grundsubstanzen für bestimmte Medikamente fehlen, weil etwa eine entsprechende Fabrik in Indien abgebrannt ist, kann man das nicht ohne Weiteres kompensieren. Man kann die Lieferung dann nur mittelfristig wieder aufbauen. Zudem bieten wir bei Stada viele Produkte, die von Knappheiten betroffen sind, überhaupt nicht an. Das passiert dann, wenn mit diesen Arzneien kein Geld zu verdienen ist. Wir können nichts verkaufen, womit wir nichts verdienen. Solche Arzneien nehmen wir aus dem Sortiment.

WELT: Werden Sie weitere Medikamente aus dem Sortiment nehmen, weil sich damit nichts verdienen lässt?

Goldschmidt: Wir haben alle Veränderungen, die wir machen wollten, bereits umgesetzt. Wir haben unrentable Fabriken geschlossen, wir haben in Rumänien eine neue Verpackungsfabrik gebaut, in Vietnam haben wir eine Fabrik für die Produktion von bis zu fünf Milliarden Tabletten pro Jahr gebaut. Wir verdienen Geld mit unseren Medikamenten, weil 65 Prozent unserer Produktion in Low Cost Ländern stattfindet. Dadurch stellen wir auch sicher, dass wir in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben und Arzneimittel mit hoher Lieferzuverlässigkeit anbieten können. Klar ist aber auch: Wenn wir mit einem Medikament Miese machen, müssen wir es aus dem Portfolio nehmen.

Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Chemie-Industrie und Bauwirtschaft.

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