Schlechter geht immer?
Als die unsäglichen Impro-"Tatorte" vor ein paar Jahren ebenso abrupt in der Versenkung verschwanden, wie sie zuvor aufgetaucht waren, atmete unser Kritiker erleichtert auf. Mit "Die große Angst" scheint das Genre kurz zurück - doch die Wahrheit ist noch schwerer zu ertragen.
Was passiert?
Es ist heiß im Schwarzwald, die Menschen schwitzen und ächzen. In einer vollgepackten Seilbahn auf der Talfahrt vom Schauinsland eskaliert der Streit um ein offenes Fenster: Die hochschwangere Nina Kucher (Pina Bergemann) verliert die Nerven, drischt mit dem Notfallhammer auf eine Scheibe ein - nach einem kurzen und unübersichtlichen Handgemenge liegt ein lebloser Mann am Boden, an seinem Hinterkopf eine tödliche Wunde. Unten angekommen flüchten Nina und ihr Mann Sven (Benjamin Lillie) Hals über Kopf.
Für die Freiburger Kommissare Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) sowie ein wegen allerorten wütender Waldbrände stark dezimiertes Polizeiaufgebot ist die Situation nur schwer zu überblicken: Während Tobler niemanden vorverurteilen möchte, ist zumindest für Berg klar, dass die Flucht des Paares einem Schuldeingeständnis gleichkommt. Dazu kommt, dass Nina an einem Hirntumor leidet, der angeblich "aufs Aggressionszentrum drückt" und wenig später auch noch ein Junge aus einem nahen Dorf spurlos verschwindet. Eine Geiselnahme? Als zu allem Überfluss ein wütender Mob auf der Bildfläche erscheint, eskaliert die Situation vollends.
Worum geht es wirklich?
Zu vermuten ist, dass Regisseurin und Drehbuchautorin Christine Ebelt eine Art Parabel auf die Gegenwart zeichnen wollte. An den Hinweisen führt jedenfalls kaum ein Weg vorbei: die latente Aggression auf allen Ebenen, irrationale Entscheidungen hinter jeder Fichte und mit "Die große Angst" der passende Titel. Weil aber weder vorne noch hinten irgendetwas zusammenpasst, fühlt sich das Ergebnis an wie eines dieser surrealen KI-Videos, in denen "Menschen" Dinge tun, die Menschen nach Meinung eines Computers eben so tun - nur eben nicht zwei Minuten lang, sondern auf eineinhalb Stunden gestreckt.
Wegzapp-Moment?
Von einem "Moment" kann nur die Rede sein, wenn 90 Minuten als Moment durchgehen.
Wow-Faktor?
Beeindruckend ist in diesem "Tatort" vor allem die Tatsache, wie gut hydriert alle Beteiligten sind: Es gibt quasi keine Szene, in der nicht mindestens einer der Protagonisten einen kräftigen Schluck Wasser aus der Plastikpulle nimmt - selbst angeschossene Polizisten bekommen zur Erstversorgung H2O. Wer "Die große Angst" als Trinkspiel versteht und parallel dazu Shots trinkt, behält den Film garantiert in Erinnerung. Mit furchtbaren Kopfschmerzen, so wie es sich gehört.
Wie ist es?
3 von 10 Punkten, als der Autor dieses Textes noch dachte, "Die große Angst" sei nur ein weiterer unsäglicher Impro-"Tatort", wie sie vor einigen Jahren kurz in Mode waren. 1 von 10 Punkten, nachdem er herausgefunden hatte, dass dem nicht so ist. Und 8 von 10 Eiern aus Stahl, falls sich am Ende doch herausstellen sollte, dass der SWR heimlich, still und leise den ersten KI-generierten "Tatort" in Spielfilmlänge produziert hat …
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