Großer Ganzjahresreifen-Test: So gut sind die Allrounder
Wie wunderbar einfach war doch früher die Reifenwelt: Sommerreifen im Sommer, Winterreifen im Winter. Letztere sind seit 2010 bei winterlichen Straßenverhältnissen sogar zwingend vorgeschrieben. Und All Seasons? Diese vermeintlichen Alles-und-nichts-Könner, die ebenfalls als Eintrittskarte zunächst die M+S-Zulassung bekamen und nun auch das deutlich höherwertige, inzwischen vorgeschriebene Schneeflocken-/Bergpiktogramm tragen?
Zugegeben, die gibt es auch schon länger, doch führten sie eher ein Nischendasein für partout Wechselunwillige, für kategorisch Untermotorisierte oder konsequente Schnee-Vermeider. Für aufgeklärte Autofahrer waren sie eher nichts. Sommer war Sommer, Winter war Winter. Gerade im Flotteneinsatz. Basta! Eine Nummer drei, die brauchte niemand.
Ganzjahresreifen-Test 2025 - alle Wertungen, alle Ergebnisse

Ganzjahresreifen: Die Zeiten ändern sich
Doch früher war gestern, und die Zeiten haben sich geändert. Ganzjahresreifen wurden unterhalb der medialen Wahrnehmungsschwelle immer besser und beliebter, gleichzeitig verlor der Winter immer mehr von seinem vormals übermächtigen Schrecken. Weiße Weihnacht - das war und ist bald so selten wie Pünktlichkeit bei der Deutschen Bahn. Es folgte die blanke Systemfrage: Warum heute noch echte Winterreifen aufziehen, wenn es doch eh kaum schneit und wenn, dann nur zaghaft? Zumal auf nur nassen oder gar trockenen Winterstraßen reine Wintergummis gegenüber Ganzjahres- und auch Sommerreifen keine Vorteile bieten. Im Gegenteil.
Hinzu kommt die Wirtschaftlichkeitsrechnung: Wer Ganzjahresreifen fährt, spart sich nicht nur den zweiten Satz Reifen und Felgen, sondern muss sich auch nicht mehr um die lästigen Wechseltermine beim Händler kümmern. Und er muss folglich auch keinen Reifensatz mehr in der heimischen Garage oder - gegen Geld - in der Werkstatt einlagern. Noch ein Argument gefällig? Dadurch, dass die All Seasons ganzjährig gefahren werden, "leben" sie deutlich kürzer im Vergleich zu ihren Saison-Kollegen, die sich ja jeweils ein halbes Jahr "ausruhen" dürfen. Doch der Faktor Zeit spielt eher gegen echte Sommer- und Winterreifen. Wie das? Die Antwort: Gummi altert, und das unaufhaltsam, ohne Zutun.
Ein Winterreifen, der in den wärmeren Monaten in der Garage pausiert, altert trotzdem vor sich hin. So kann es sein, dass er nach vielleicht sechs Jahren und mit noch gut fünf Millimetern Restprofiltiefe dennoch nicht mehr viel taugt: Zeit, Ozon, Benzindämpfe, Tageslicht und andere Gummi-Feinde haben ihm unsichtbar arg zugesetzt, so dass der vermeintliche "Fast-wie-neu-Reifen" im Vergleich zu einem fabrikfrischen Pendant nicht mehr wiederzuerkennen wäre - im negativen Sinn. Zwischenzeitlich ist zudem die Reifenentwicklung an ihm vorbeigezogen - während sich der Allwettergummi im Dauerbetrieb aufreibt und viel zeitiger gegen ein neues, topaktuelles Exemplar getauscht wird. Da verwundert es nicht weiter, dass die Allwetter-Pneus inzwischen mit bis zu einem Drittel Marktanteil (2023: 32,3%; Quelle: Tyre24) ohne Übertreibung als Shootingstars der Branche bezeichnet werden dürfen. Gibt es also nur Vorteile, die für Ganzjahresreifen sprechen? Ganz eindeutig nicht. Zur Kehrseite der Medaille kommen wir später.
Ganzjahresreifen: Geburtsjahr 1977
Blicken wir zur besseren Einordnung in die Vergangenheit, genauer ins Jahr 1977. Damals erblickte der erste Ganzjahrespneu das Licht der Welt, der Goodyear Tiempo. Doch es brauchte noch fast ein weiteres Jahrzehnt, bis der erste All-Season-Reifen nennenswertes mediales Interesse weckte: Es war der erste Goodyear Vector, der 1985 die Fachwelt aufhorchen ließ, da er als einer der ersten seiner Art die arttypische Schneescheu abschüttelte. Eine Initialzündung quasi. Bald folgten Konkurrenzprodukte - anfänglich eher widerwillig, denn aus echter Überzeugung.
Gemein war ihnen, dass die Wintereigenschaften der damaligen All Seasons sich an den ziemlich laschen Kriterien zur Erlangung des M+S-Symbols orientierten. "Echte" Winterreifen fuhren den Ganzjahres-reifen gnadenlos davon. Den "365ern" haftete somit lange der Makel des faulen Kompromisses an. Ins Bild passte, dass sie prinzipiell teils deutlich längere Bremswege auf nasser und trockener Straße hinlegten als die reinen Sommerreifen. Aber: Das Virus war in Umlauf.
Ihr Image änderte sich erst im Jahr 2015 zum Positiven, als Michelin den Cross Climate auf den Markt brachte. Denn als erster Vertreter seiner Gattung erhielt er das für diese Spezies als unerreichbar geglaubte Schneeflocken-/Bergpiktogramm - was seine Tauglichkeit selbst für strengste winterliche Bedingungen attestierte. Der Fortschritt in Materialkunde und Technologie hatte gesiegt.
Die Reifenindustrie war dennoch so klug, auf die physikalischen, insbesondere aber auf die klimatischen Grenzen der Ganzjahresreifen hinzuweisen: Strenge kalte Winter (etwa in Nordeuropa) und anderseits sehr heiße Sommer sind für diese Kompromissprodukte noch immer nicht geeignet. Grob lässt sich sagen: Sie fühlen sich zwischen -5 und +25°C wohl. Darunter und darüber stoßen sie sehr schnell an ihre Grenzen.
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